Hundefamilie glücklich gerettet. Die Freude war groß. Doch dann der Schock ... Eines der kleinen Hundemädchen hat keine Vorderbeine.
Unsere Kolleginnen in Arzachena waren zu Hilfe gerufen worden: Ein Mann wollte eine Hündin und ihre Babys, die sie auf seinem Grundstück zur Welt gebracht hatte, erschießen. Natürlich fuhren unsere Kolleginnen sofort los, um diese Tragödie zu verhindern. Drei lange, bange Stunden brauchten sie, dann hatten sie endlich die völlig verstörte und verängstigte Mutter eingefangen. Die fünf Babys, die einigermaßen sicher in einem Gebüsch zusammengedrängt lagen, wurden dort weggeholt und gemeinsam mit ihrer Mama in unsere Auffangstation gebracht.
Und da sahen es unsere Kolleginnen: Einem der Babys fehlten die Vorderbeine. Lediglich winzige Stummel hatten sich ausgebildet.
Was nun? Was tun? Nie zuvor waren wir mit einer solchen Missbildung konfrontiert worden. Wie sollten wir entscheiden?
Natürlich stand die Frage im Raum, ob das Hundekind "erlöst" werden sollte. Aber hatten wir ein Recht dazu? Wäre das Tierschutz? Oder doch Tiermord? Wir waren verzweifelt.
Wir suchten im Internet nach ähnlichen Fällen. Was gab es für Möglichkeiten? Welche Lebensqualität könnte man dem kleinen Hundemädchen geben? Wir hatten schlaflose Nächte.
Drei Tage nach der Rettungsaktion waren wir zu dritt vor Ort. Und als wir dann die Kleine im Arm hatten, dieses weiche, kleine, zarte Geschöpf, das sich so vertrauensvoll an uns schmiegte und an uns nuckelte, als wir sahen, wie sie sich zwischen ihre Schwesterchen kuschelte, wie sie versuchte, sich auf die Hinterbeinchen zu stemmen und mit den Stummelchen vorwärtsrobbte, da war es klar: Die Natur sollte entscheiden. Wir würden die Kleine jedenfalls nicht töten.
Dass dies eine sehr emotionale Entscheidung war, ist uns bewusst. Uns ist auch bewusst, dass es neben der emotionalen auch eine finanzielle Seite gibt. Und dass wir es ohne Hilfe von außen nicht stemmen können. Denn die kleine Luisa, wie wir das Baby nannten, wird schon früh teure Hilfsmittel wie z. B. spezielle Laufhilfen benötigen. Und ob sie jemals eine eigene Familie findet, die sie trotz ihrer Behinderung liebt und fördert, steht in den Sternen und ist eher unter der Rubrik "Wunder" zu suchen.
Aber wir haben Luisa versprochen, sie nicht im Stich zu lassen, wenn sie leben möchte. Sondern alles in unserer Macht Stehende zu tun, um ihr ein lebenswertes Leben zu schenken.
Ostern 2015 Wir naben nun länger nichts über Luisa berichtet. Das wollen wir nun nachholen.
Nachdem Luisa in Deutschland in ihrer Pflegestelle angekommen war, entwickelte sich die Kleine wunderbar weiter. Dass unsere Entscheidung, ihr eine Chance auf ein gutes Leben zu geben richtig war, bestätigte Luisa täglich: Sie war voller Energie und Lebensfreude, sie erkundete auf ihre ganz eigene Art ihr Pflegeszuhause, sie wuchs und gedieh.
Im Januar 2015 kamen die Pflegeeltern mit Luisa zu uns nach Norf zu Besuch, damit wir uns überzeugen konnten, was für ein liebenswerter Wonneproppen Luisa geworden war. Es war so schön zu erleben, wie Luisa mit ihrem Handicap umzugehen wusste. Das war kein "armes Würmchen", das "dahinvegetiert". Im Gegenteil, die Kleine musste viel mehr gebremst werden, um sich nicht zu verausgaben.
Was uns sehr enttäuschte war die Tatsache, dass all die vollmundigen Zusagen, Luisa adoptieren und ihr ein gutes Zuhause geben zu wollen, sich als heiße Luft herausstellten. Wir müssen es leider so offen sagen: All diese Leute, die sich auf Facebook als die "Superhelden" feiern ließen, weil sie so "selbstlos" Hilfe versprachen, waren in der Versenkung verschwunden. Weder auf Anrufe noch auf Mails reagierten sie. Nun gut, wir haben aus der Geschichte gelernt, wir wir in Zukunft solche "Zusagen" zu werten haben.
Aber es gab auch eine Riesenüberraschung: Ein Maschinenbaustudent war vom Schicksal Luisas so berührt, dass er ihr höchstpersönlich - gemeinsam mit seiner Freundin und unterstützt durch seine Eltern - den Rollwagen konstruieren und schenken wollten. Die Eltern des Studenten haben ein Unternehmen, das 3D-Drucker entwickelt, und mit Hilfe dieser Technologie sollte Luisa zu ihrem Rolli kommen.
Bilder von Luisa wurden gemacht, sie wurde genau vermessen. Und dann wurde der Wagen für sie entwickelt und gefertigt. Wir alle waren sehr aufgeregt, als das Wägelchen dann Ende Januar 2015 geliefert wurde. Also Luisa dann ihre ersten Schritte mit ihrem Rolli tun konnte, war es ein wunderbarer Moment. Niemals hätten wir zu hoffen gewagt, so schnell eine Gehhilfe für Luisa zur Verfügung zu haben, da es in Deutschland zwar durchaus Hersteller von Rollwagen für Hunde und Katzen gibt, um die Funktion der Hinterbeine zu ersetzen. Aber für fehlende Vorderbeine gab es hier niemanden. Einzige Möglichkeit wäre eine Bestellung bei einem Hersteller in USA gewesen, doch damit hätten wir warten müssen, bis Luisa ausgewachsen wäre. Und bis dahin hätten sich sicherlich schon Schäden an der Wirbelsäule eingestellt.
Durch diese wunderbare Familie (die im Übrigen unsere Aktivitäten schon seit mehreren Jahren sehr aufmerksam und wohlwollend verfolgte) hatte Luisa nun die Chance, einen Rollwagen zu haben, der individuell auf sie angepasst ist und mit ihr mitwächst.
Zunächst mussten tatsächlich einige Veränderungen vorgenommen werden, denn Luisa war nicht in erwartetem Maße gewachsen und auch viel leichter geblieben. (Ihre Mama und ihre Geschwister sind da ganz andere Kaliber.) Der Rolli war anfangs zu schwer und die Brustschalen zu groß. Verschiedene Anpassungen wurden vorgenommen, und so kam man dem idealen Rolli immer näher.
Für das "Feintuning" wurde dann ein Termin für die Woche nach Ostern ins Auge gefasst. Die Pflegemama und ich wollten dann gemeinsam mit Luisa nach Ravensburg fahren. Der Rollwagen sollte dann optimal an Luisa angepasst werden, damit sie ihn leicht und sicher steuern und die Beweglichkeit erlangen könnte, nach der sie so sehr strebte.
Tja, und dann überschlugen sich die Ereignisse: Nachdem die Familie Luisas Schicksal von Anfang an so intensiv verfolgt und Luisa durch die letzten Monate so eng begleitet hatte, war auf einmal klar geworden, dass Luisa das neue Familienmitglied werden sollte.
So wurde also nicht bis nach Ostern gewartet, sondern schon am Karfreitag trat Luisa ihre große Reise an: Pflegeeltern und neue Familie trafen sich auf etwa halbem Wege zwischen Wegberg und Ravensburg. Dass dieses Treffen sehr emotional auf allen Seiten verlief, brauche ich hier sicherlich nicht weiter zu betonen. Und auch Luisa, die sehr sensibel und klug ist, hat gespürt, dass für sie ein neuer Lebensabschnitt beginnt.
Doch die liebevolle Atmospäre im neuen Zuhause hat Luisa ganz schnell gezeigt: Du bist willkommen. Du bist geliebt. Wir sind deine Familie. Bei uns bist du sicher.
Auch wir sind sehr, sehr glücklich, dass sich für Luisa alles so wunderbar gefügt hat. Der Pflegefamilie, insbesondere natürlich Birgit, die Luisa schon mit mir auf Sardinien kennengelernt und die uns in unserer Entscheidung für Luisa bestärkt hat, gilt unser herzlicher Dank, dass sie Luisa in den ersten Monaten begleitet hat.
Allen Spendern und der lieben Patin danken wir für die finanzielle Unterstützung, Luisa bestmöglich zu versorgen.
Und den lieben Menschen, die nun Luisa ein wunderbares Leben im Kreise ihrer Familie geschenkt haben, können wir gar nicht genug danken. Sie haben uns gezeigt: Es gibt noch Wunder. Luisas Osterwunder.
Wer Luisas weiteren Lebensweg verfolgen möchte, klickt einfach hier: www.luisas-blog.de