Anfang März 2021 wurden wir privat um Hilfe gebeten für eine Große Schweizer Sennenhündin. Kira, die als Welpe zur Familie kam, war laut Aussagen der Besitzer eine anhängliche und liebe Hündin, die sich toll entwickelte. Als sie zur jungen Erwachsenen wurde fing sie an ihr Futter zu verteidigen (was keine Seltenheit bei Hunden ist). Durch die unprofessionelle Hilfe eines "Hundetrainers", teils rabiaten Methoden zur "Erziehung" (u.a. extreme Maßregelungen, bishin zum "verbannen" in den Außenzwinger), die leider auch umgesetzt wurden, und erschreckende Ratschläge eines weiteren "Hundetrainers" (Stromhalsband oder einschläfern), spitzte sich die Lage zu und Kiras Verhalten wurde in die falschen Bahnen gelenkt.
Wir wissen, dass viele Hundebesitzer leider oft an Hundetrainer geraten, die Methoden anwenden, von denen der Großteil der Gesellschaft nichts hält. Doch sagt einem der gesunde Menschenverstand nicht, dass man davon Abstand halten soll, um seinen Hund - sein Familienmitglied - zu schützen? Wir können hier nur den Kopf schütteln ...
Die Geschichte ging uns sehr nah und obwohl wir aktuell gut mit "Spezialfällen" bedient sind, sagten wir unsere Hilfe zu. Eine unkastrierte "schwierige" Schweizer Sennenhündin, die zum "Züchter" zurück sollte - wir wollten es uns nicht vorstellen, wie traurig Kiras Leben dort vermutlich geworden wäre.
Seit Ende März ist Kira nun auf einer Pflegestelle. Wir mussten der Hündin erst einmal Zeit geben, da wir nicht genau wussten, was auf uns - vor allen Dingen die Pflegestelle - zukommt. Anfänglich war Kira sehr durch den Wind, sie zeigte sich aber sehr freundlich, aufgeschlossen, verschmust und anschmiegsam. Aus Sicherheitsgründen trug Kira einen Mailkorb, den sie ohne Knurren und Murren akzeptierte. Man konnte sie aus der Hand füttern, ihr die Futterschüssel vor die Nase halten. Keine Reaktion ...
Nach ein paar Tagen hatte Kira dann ihre Köfferchen ausgepackt und in einigen Situationen (vor allem wenn es um das Futter ging) wurde gebrummelt, allerdings nur bei Pflegefrauchen. Mit den Männern der Familie konnte sie von Anfang an "gut Kirschen essen". Sie ging allerdings nicht nach vorne und beruhigte sich auch schnell.
Kira musste sich sehr unwohl gefühlt haben, denn parallel zum Umzugsstress wurde eine Gebärmutter-Vereiterung festgestellt, die ihr vermutlich schon länger arge Schmerzen bereitete. Kira wurde kastriert und hat sich mittlerweile sehr gut von der OP erholt. Auch hat sie ein bisschen abgenommen und wiegt aktuell stolze 45 kg.
Rundum hat sich Kira richtig toll entwickelt. Sie hat sich gut in der Familie eingelebt, hat Vertrauen gefasst und versteht sich gut mit den vorhandenen Hunden. Ob Futter, Spielzeug oder Streicheleinheiten: Es gibt keine Streitereien oder Eifersüchteleien. Kira hat sich toll integriert, auch mit den Katzen klappt es wunderbar.
Kira ist eine angenehme Mitbewohnerin, sie ist sehr ruhig und entspannt. Sie ist stubenrein und kann gut alleine bleiben. Mit dem Autofahren hat sie keine Probleme und beim Spazierengehen bringt sie nichts aus der Ruhe. Mittlerweile spielt sich auch mit den vorhandenen Hunden im Garten, gerne beschäftigt sie sich aber auch alleine mit ihrem Ball (den sie auch prima apportiert).
Es war anfänglich nicht einfach, Kiras Verhalten richtig einzuordnen. Wobei wir uns sicher sind: Es fehlte an Verständnis, Sicherheit und einem liebevollen Umgang.
Jeder Hund hat eine individuell ausgeprägte Wohlfühl-Distanz zu Zwei- oder Vierbeinern - die Individualdistanz. Was für den einen Hund noch völlig in Ordnung ist, kann für einen anderen Hund schon viel zu nah sein. Kira zeigt gut an, wann es ihr in welchen Situationen zu viel wird, und man kann gut darauf reagieren.
Schritt für Schritt wird nun mit Kira gearbeitet. Sie darf in Ruhe fressen, ihr wird nichts weggenommen, und man gibt ihr die Distanz, die sie braucht - wenn sie möchte. Größtenteils möchte sie dabei sein und von ihren Menschen gekrabbelt und gekuschelt werden. Man muss sie eben von sich aus kommen lassen.
24. April 2021:
Kira durfte heute in ihr neues Zuhause nach Nittenau ziehen. Nach zahlreichen Anfragen für die wunderschöne Hündin (oftmals hatte man den Beschreibungstext leider nicht genau durchgelesen) hatte sich eine
Familie gemeldet, der ein solches Schicksal nicht unbekannt war. Der vorhandene Rüde hatte fast die gleiche Vorgeschichte und dementsprechend seine Schwierigkeiten. Die Familie hatte ihn damals nicht aufgegeben, und nun begleitet er sie schon fünf Jahre als treuer Begleiter.