Ignoranz kostete sie beinahe ihr Leben Ernia lebt seit vielen Jahren auf der Straße - und zwar in einer Straße eines kleinen Ortes. Die meiste Zeit musste sie zwar für sich selbst sorgen, gelegentlich wurde sie aber auch gefüttert. Und jeder in der Straße kannte sie. Aber keiner fühlte sich für sie verantwortlich, auch nicht, als sie in letzter Zeit immer unförmiger wurde und ihr das Laufen ganz offensichtlich immer schwerer fiel. Endlich erbarmte sich aber doch eine der Anwohnerinnen und rief unsere Kollegin zu Hilfe, die natürlich entsetzt war, als sie den unförmig ausgebeulten Leib der ansonsten recht zierlichen Katze sah: An der linken Seite, am Ende des Brustkorbs, quoll eine große Beule hervor und hing wie ein großer Beutel bis fast auf die Erde ...
Es gelang uns schließlich, die Katze einzufangen und dem Tierarzt vorzustellen. Nach erstem Befund schloss er glücklicherweise eine Tumorerkrankung aus, aber auch so waren die Aussichten für die Katze nicht gut. Um eindeutig herauszufinden, was mit der Kleinen los ist, kam sie in eine Tierklinik nach Olbia, wo dann festgestellt wurde, dass es sich bei der Beule um eine große Hernie, also einen Gewebedruchbruch handelt. In dem Beutel waren Teile des Gedärms gerutscht, und da der Bruch offensichtlich schon älter war, gab es bereits erhebliche Verwachsungen.Zu allem Unglück lag war auch eines der Babys, mit denen die Katze trächtig war, in den Beutel gerutscht.
Was tun? Die Ärzte machten uns klar, dass es die Katze unweigerlich das Leben kosten würde, wenn ihre Babys weiter wachsen, spätestens jedoch, wenn sie diese zur Welt bringen würde. Die einzige Chance wäre eine sofortige Operation ... Auch wenn uns die Entscheidung nicht leicht fiel, aber wir wollten auf jeden Fall das Leben von Ernia, wie wir sie inzwischen genannt hatten, retten und gaben unser Einverständnis zur Operation.
Wir waren überglücklich, als die erlösende Nachricht kam, dass Ernia den schweren Eingriff überstanden hat. Das Gedärm ist wieder an seinem Platz, das Loch im Bauchfell geschlossen. Während der Operation war Ernia aber auch eingehend untersucht und es wurden Entzündungen im Mäulchen und eine Verletzung am linken Auge festgestellt. Außerdem erfuhren wir, dass Ernia mindestens sechs, wenn nicht sogar schon acht Jahre alt ist - kaum zu glauben, dass sie das unter ihren Lebensumständen geschafft hat.
Ein paar Tage nach der Operation holten wir Ernia nach Hause, das heißt, in eine unserer Pflegestellen vor Ort, wo sie liebevoll umsorgt wurde. Leider wollte Ernia nach zwei Tagen weder essen noch trinken, auch schien sie wieder Schmerzen zu haben und eine neue Beule bildete sich ... Sicherheitshalber brachten wir sie zurück in die Klinik. Dort kam sie an den Tropf, um ihr Flüssigkeit und Nahrung zuzuführen. Außerdem wurde Wundflüssigkeit, die sich gesammelt hatte, abgezogen. Eine Woche später konnten wir nun Ernia wieder in Empfang nehmen. Ihre Wunde am Auge, die Entzündung im Mäulchen sowie die Operationswunde müssen natürlich noch versorgt werden, aber wir hoffen nun, dass ihrer endgültigen Genesung nichts im Wege steht. Sie fängt schon, die für sie so ungewohnte menschliche Fürsorge zu genießen, sie liebt es, im Bett zu liegen ... man hat schon das Gefühl, sie will dort gar nicht mehr raus ...
Natürlich wollen wir Ernia nicht an ihren bisherigen Platz auf der Straße zurückbringen, sondern ihr die Chance geben, ihr weiteres Leben in liebevoller, sicherer Umgebung zu genießen. Deshalb suchen wir entweder eine Pflegestelle in Deutschland, damit Ernia so bald wie möglich ausreisen kann. Oder aber gleich eine Familie, die Ernia ein endgültiges Zuhause schenkt. Soweit wir Ernia inzwischen kennengelernt haben, wird sie einen ruhigen Haushalt, in dem sie die Hauptrolle spielen kann, sehr zu schätzen wissen.
Aktualisierung 18. April 2010 Ernia hat sich inzwischen wunderbar erholt. Ihr defektes Auge wird nach wie vor mit Tropfen behandelt, aber sie ist dadurch in keiner Weise eingeschränkt. Ihre riesige OP-Narbe wird schon vom nachwachsenden Fell bedeckt, und bald wird gar nichts mehr zu sehen sein.
Wenn wir uns in Erinnerung rufen, dass Ernia ihr ganzes Leben auf der Straße zugebracht hat, Menschen gegenüber immer sehr zurückhaltend war und nie das Leben in einem Haus oder einer Familie kennenlernen durfte, dann können wir uns nur wundern, welche Wandlung mit der süßen Maus vor sich gegangen ist. Ernia braucht ein wenig, um zutraulich zu werden, unbedachte, heftige Bewegungen oder extreme Geräusche erschrecken sie noch etwas, aber wenn sie einen Menschen kennt, dann lässt sie sich sehr gern beschmusen. Nach wie vor liebt sie das Bett in der Wohnung, die ihr derzeitiges Pflegezuhause ist, und wenn sich das Pflegefrauchen zu ihr legt, dann kuschelt Ernia gern auf dem Kopf, in der Halsbeuge oder im Arm ... und schnurrt dabei, was das Zeug hält. Sehnsucht nach "draußen" hat sie offensichtlich nicht. Sie kann auch gut allein bleiben, auf Katzengesellschaft kann sie verzichten.
05. Juli 2010 Schon seit einiger Zeit zeichnete sich ab, dass die Pflegemama und ihr Lebensgefährte die zauberhafte Ernia wohl nicht mehr würden abgeben wollen ... Na, ja, und nun wurden Nägel mit Köpfen gemacht und der Adoptionsvertrag geschlossen. Ernia genießt ihr Leben als Prinzessin sehr, ist glücklich und zufrieden. Wir freuen uns sehr darüber, dass Ernia nach ihrem bisherigen traurigen Leben nun so viel Liebe und Fürsorge zuteil wird. Mach es gut, du Süße, auch dein Pflegefrauchen auf Sardinien freut sich sehr, dass du dein Glück gefunden hast. Auch sie wollte dich eigentlich schon nicht mehr hergeben, aber da sie ja noch viele eigene Katzen hat, hätte sie dir den Prinzessinnenplatz nicht bieten können.