21. bis 26. Februar 2011 Während unseres letzten Sardinienaufenhalts hatten Ute und ich unter anderem einen Termin in Sassari. Vor dem Café, in dem wir uns mit unseren Gesprächpartnerinnen treffen wollten, hockte eine kleine Katze, ganz eng in eine Ecke gedrückt, und wurde dort von Ute entdeckt, die schon vorgegangen war. Sie sprang Ute förmlich in den Arm und kuschelte sich an. Ihr Fell war völlig verzottelt, die Augen triefig, die Nase verrotzt. Was tun? Wir fragten in dem Café, ob die Katze jemandem gehören würde, und erfuhren, sie sei auf der Straße gelandet, weil sie wohl krank sei, und nein, es würde sich niemand um sie kümmern. Was sollten wir zu so viel Herzlosigkeit sagen? Wir hatten glücklicherweise eine kleine Transportbox dabei, und so konnten wir die kleine Katze dort erst einmal hineinsetzen, um sie dann später mit nach San Pantaleo zu nehmen. Dort hatte Elena schon alles für den Empfang des Findelkinds vorbereitet. Da wir bei der Ankunft sahen, dass es dem Kleinen wirklich nicht gut ging, entschieden wir, ihn am nächsten Morgen unserem Tierarzt vorzustellen.
Während Ute und ich einen Termin im Canile wahrnahmen, war Elena mit dem kleinen Sassu, wie wir ihn inzwischen genannt hatten, beim Tierarzt. Leider gab es keine guten Nachrichten, die Diagnose lautete schwerste Bronchitis, Schnupfen, Untertemperatur, Unterernährung usw. Besonders in Stresssituationen, wie etwa beim Fiebermessen, bekam Sassu fast keine Luft mehr. Um möglichst optimal helfen zu können, schafften wir auf Anraten des Arztes sogleich ein Inhalationsgerät an, außerdem wurden Kortison und ein Antibiotikum verschrieben. Spezialfutter sollte unterstützen, den Kleinen wieder zu Kräften kommen zu lassen.
Nachdem ich mittags Ute zum Flughafen gebracht und nachmittags dann noch etliche Termine wahrgenommen hatte, eilte ich zurück ins Apartment, weil sich meine Gedanken nur um Sassu drehten.
Hier habe ich mir dann Sassu auf die Couch geholt und mit ihm bis Mitternacht dort gesessen und geschmust, was er sehr genossen hat. Aber er war sehr schwach. Daher brachte ich es nicht übers Herz, ins Bett zu gehen und ihn allein im Wohnraum zu lassen. Da das Bett aber extrem hoch ist, war ich nicht sicher, ob er es schaffen würde, herunterzuspringen, falls er mal auf sein Kistchen müsste … Also habe ich mir auf dem Fußboden im Wohnraum eine Lagerstatt eingerichtet und den Kleinen dann zu mir genommen, Futter und Kistchen jeweils in Reichweite für ihn. Gegen halb vier stand Sassu dann auf, benutzte sein Kistchen und begab sich auf Wanderschaft durchs Apartment. Ich war erleichtert, die Medikamente schienen anzuschlagen, es schien ihm besser zu gehen. Er sprang sogar auf die kleine Couch und kringelte sich dort ein. Ich habe ihn dann dort schön warm eingepackt und bin dann, es war inzwischen 4 Uhr, doch noch in mein Bett gegangen. Aber ich war stündlich wach, um nach Sassu zu sehen, er schlief jedoch – wenn auch schwer atmend – friedlich.
Nachdem Sassu am Morgen versorgt war (Medikamente, Inhalation) und er auch ein bisschen von dem Thunfisch gefressen hatte, den ich ihm gekauft hatte, weil er das Spezialfutter nicht anrührte, machten Elena und ich uns auf unsere Runde.
Da nachmittags keine Termine anstanden, konnte ich mich neben ein paar administrativen Arbeiten um den kleinen Sassu kümmern, dessen Zustand leider ständig zwischen besseren und schlechteren Phasen schwankte. Unser Tierarzt hielt es aber noch für normal, da die Medikamente und Behandlungen erst einmal richtig anschlagen müssten …
In der Nacht war wiederum kaum an Schlaf zu denken, ich machte mir unendliche Sorgen um den kleinen Kerl, der warm eingepackt auf der Couch schlief. Fast stündlich wurde ich wach und stand auf, um nach ihm zu sehen. Für den Vormittag des 24. Februar 2011 sagte ich einen Termin ab, um mich ganz Sassu widmen zu können. Ich litt mit ihm, wenn er wieder seine Atemprobleme zeigte, und entspannte mich etwas, wenn er sich in meinen Arm kuschelte und zufrieden schnurrte.
Es fiel mir unglaublich schwer, abzureisen und Sassu zurückzulassen. Hätten nicht Tiere darauf gewartet, ausreisen zu können, hätte ich meinen Flug verschoben. Aber Elena versprach, gleich zu Beginn der Sprechstunde am Nachmittag mit Sassu zum Tierarzt zu fahren. So verabschiedete ich mich von dem kleinen Sassu, schon mit sehr schlechtem Gefühl. Wieder flossen Tränen. (Niemand soll glauben, man würde „abhärten“, wenn man länger im Tierschutz arbeitet …)
Natürlich war auch bei mir zu Hause Sassu das vorherrschende Thema. Der Kleine war inzwischen stationär bei unserem Tierarzt aufgenommen worden und es sollten nun einige Untersuchungen erfolgen, um herauszufinden, warum die Medikamente und auch die Inhalationen nicht anschlugen, sondern sich sein Zustand rapide verschlechterte und er auch wieder extreme Untertemperatur hatte.
Die eingehenden Untersuchungen brachten zutage, dass Sassu keineswegs ein junges Kätzchen war, sondern eher schon mindestens sechs Jahre alt. Es fehlten schon viele Zähne, und dass er so winzig wirkte, lag letztendlich daran, dass er völlig ausgezehrt war. Ein Krebs – offensichtlich von der Lunge ausgehend – hatte ihm keine Chance mehr gelassen.
Am Morgen des 26. Februar 2011 ist Sassu für immer eingeschlafen.
Sassu hat mich ganz tief berührt. Er wird immer einen Platz in meinem Herzen haben, die Gefühle, die der kleine Kerl in den wenigen Tagen unseres Zusammenlebens in mir ausgelöst hat, sind einfach unbeschreiblich. Auch jetzt fließen wieder heiße Tränen.
Mach es gut, du lieber Schatz. Ich bin dankbar, dir begegnet zu sein und dir wenigstens noch ein paar Tage Liebe schenken zu können. Deine Karin
Lesen Sie hier auch noch die Abschiedsworte von Ute:
Lieber kleiner Sassu,
ich habe länger überlegt, welche Worte dir und unseren Gefühlen annährend gerecht werden könnten und musste mir eingestehen, dass sie mir fehlen. Genau wie du mir und meinen Kolleginnen fehlst.
Es war auf dem Weg zu einem unserer Termine auf Sardinien, wo uns mal wieder klar wurde, was es heißt, Tierschutz zu betreiben.
Du saßest an einer recht befahrenen Hauptstraße in einem Geschäftseingang in eine Ecke gekauert und hast anscheinend dringend auf Ansprache und Hilfe gewartet und gehofft. Ich hatte dich auch erst kaum als Kätzchen wahrgenommen, aber als ich dich ansprach, bist du sofort mit hoch erhobenem Schwanz und kläglich miauend auf meinen Arm gesprungen. Natürlich haben wir uns erkundigt, ob du jemandem gehörst, und mussten erfahren, dass du rausgeworfen worden warst, weil du krank warst ...
Da du offensichtlich mitwolltest und für mich das erste eigene Fundnotfellchen warst, habe ich sofort überlegt, dich später zu adoptieren ... wenn du gesund und fit wärest für deine große Reise.
Du machtest zwar keinen ganz gesunden Eindruck, aber dass es dir so sehr schlecht ging, dass hatten wir alle nicht erwartet. Die lange Autofahrt bis zur Pflegstelle hast du klaglos hingenommen und "zu Hause" angekommen hast du auch gefressen und nach Wurmkur u.a. schön geschlafen.
Wir haben uns schon so gefreut, dass wir dich retten konnten ... und ich bin abgereist mit der Hoffnung, dass wir dich in einigen Wochen willkommen heißen würden, um dir ein schönes Leben zu ermöglichen.
Aber es sollte nicht sein ... es wurde die nächsten 4 Tage und Nächte immer schlimmer, und deine Pflegemama war mehrfach mit dir beim Arzt. Du hast Inhalationen bekommen und alles Menschenmögliche wurde versucht, aber du hast nicht mehr genügend Kraft zum Atmen, Kämpfen und Leben gehabt.
Wir sind sehr traurig, dass wir dir doch nicht helfen konnten, aber wenigstens warst du nicht allein, hungrig und durstig auf kalten Steinen, sondern bei lieben Menschen, die dir Liebe und Fürsorge gaben.
Ich persönlich weiß nicht, was bei mir im Moment überwiegt: die Traurigkeit über dein viel zu kurzes, schmerzliches Leben oder die Wut über die Menschen, die dich hinauswarfen, weil du krank warst, die unzähligen Menschen, die wohl alle achtlos an dir vorbeigeschaut haben und vorbeigegangen sind ... die alle nicht geholfen haben...
Das ist die Seite des Tierschutzes, die es mir/uns immer wieder schwer macht, aber ich denke, dass es in eurem Sinne ist, dass wir genau deshalb weitermachen.
Ich werde dich ganz bestimmt nie vergessen, kleiner Sassu, und ich verspreche dir und deinen tierischen Freunden, euch weiterhin zu helfen, so gut ich es kann. Du hast einen Extraplatz in meinem Herzen eingenommen, und auch wenn wir uns nur kurz kannten ... ich habe dich so geliebt wie du warst.